Der Kümmer-Modus
All-ein(s).
Allein.
Wie ich diese Tage liebe. Gerne bin ich allein. Gestalte meinen Tag genauso wie ich es mag, ohne mich auf jemanden einzustellen.
Diese Worte kann ich nur schreiben, weil ich eben nicht alleine bin. Das ist mir ganz klar. Ich lebe im Haus meines Mannes mit meinen Schwiegereltern und unserer kleinen Yorkshire Terrier Hündin Fay. Wirklich alleine bin ich also nie.
Und dennoch haben die Tage, wenn mein liebster Mann nicht zu Hause ist, für mich eine andere Qualität. Was ist es, das ich in seiner Gegenwart nicht leben kann?
Was ist es, das mich davon abhält genau so, wie ich es möchte meinen Morgen zu beginnen oder meinen Tag zu gestalten?
Innerlich kann ich es genau fühlen, dass es an mir liegt. An einem Teil meiner Geschichte, die heute wieder einmal besonders stark zu wirken scheint.
Wie so oft in meinem Leben offenbarte sie mir in den letzten Tagen, ja sogar schon seit Wochen wieder meine Ähnlichkeiten zu meiner Mutter. „Ich bin wie meine Mutter,“ erklingt es aus meinem Kopf, „und das ist auch gut so“, hallt es nach.
Egal ob Mann, Kinder oder Schwiegereltern, durch deren Anwesenheit befinde ich mich wie auf Knopfdruck sofort im Kümmer-Modus.
Ich lese deren Bedürfnisse schon lange bevor es ihnen selbst so richtig bewusst ist. Ich kann es fühlen, was jeder braucht, Kaffee kochen, ein nettes Gespräch, ein kleiner Spaziergang durch den Garten, und und und.
So bin ich dann sehr geschäftig, bin für alle da, flexibel, meistens gut gelaunt, springe sofort auf, wenn ich in der Luft ein noch so kleines Partikelchen eines Impulses aufschnappe, dass es vielleicht möglich sein könnte, dass mich wer braucht.
Schon beim Tippen dieser Zeilen verspannt sich mein Handgelenk, die Finger klopfen wie wild gegen die Tastatur.
Der Kümmer-Modus.
Bestens von meiner Mutter abgeschaut und selbstständig bis zur höchsten Perfektion trainiert. Wenn es nur Spaß machen würde…
Das, was mir beim Kümmer-Modus besonders auffällt ist, dass die zu „Bekümmernden“ damit oft gar nicht rechnen, es gar nicht erwarten, oft gar kein Bedarf für diese „Überkümmerung“ besteht. Also auf den Punkt gebracht: Mein Kümmern gar nicht in diesem Ausmaß gebraucht wird – und schon gar nicht ungefragt.
Und wenn ich mich dann mal beschwere, bekomme ich die daraus folgenden, natürlich verständlichen Antworten:
„Das brauchst du ja nicht machen! Schau auf dich! Wir schaffen das doch auch alleine! Du brauchst nicht zu kochen…“
Oft kommen diese Worte nicht wirklich bei mir an… diese Worte werden von mir innerlich sogar gegen den anderen verwendet – verärgern mich mehr, als sie mich unterstützen, sagen sie mir doch ganz deutlich, dass meine Mühen nicht mal gesehen werden, eh jeder alles alleine kann…
Ich nehme die Worte der anderen nicht ernst. Mein Kümmer-Programm läuft auf Hochtouren weiter. Beleidigt oder zumindest leicht verschnupft sitze ich dann bei meinem Schreibtisch, meiner persönlichen to do Liste, höre im Erdgeschoß wieder ein Rumpeln und Rumoren, springe innerlich die Stiegen hinunter, zu meinen Schwiegereltern – jederzeit einsatzbereit. Mein „schnelle-Hilfe-Kümmer-Programm“, (das ich übrigens von meiner Mutter und meinem Vater perfekt überliefert bekam), beginnt sofort zu wirken.
Doch jetzt sitze ich immer noch bei meinem Schreibtisch vor meiner to do Liste und beobachte mein Innenleben gespannt.
Was da abgeht verblüfft mich selbst sehr. Ich nehme wahr, wie mein Mann entspannt die Stiegen hinunter geht. Wieder spüre ich den Impuls ihm zu folgen, sofort auf zu springen und zu helfen. Doch ich halte stand – bleibe sitzen, schüttle den Kopf über mich selber, endlich widme ich mich meiner to do Liste.
Meine Erkenntnisse:
Ich bin so gerne alleine, weil ich gefühlt weiß, dass ich nie alleine bin.
Ich genieße in den Momenten des Alleinseins das Fehlen der Außenimpulse, die mich sehr leicht ablenken.
Wenn die Welt des Außens wegfällt, kann ich durchatmen.
Wenn meine Anforderungen an mich selbst wegfallen würden, wenn ich nicht alleine bin, dann könnte ich auch durchatmen.
Kümmern ist eine gute Sache, aber wenn es zum Automatismus wird, um geliebt zu werden, die Beste zu sein oder was auch immer, oder sogar als Ausrede dient, seine eigenen Arbeiten, Freuden und Vorhaben nicht zu leben, beginnt es sehr zerstörerisch zu wirken.
Also stelle ich zu guter Letzt fest, dass dieser Kümmer-Modus weder mir, noch den anderen dienlich ist.
Durchatmen, wirken lassen und eine Richtungsänderung vornehmen!
Und: Erleichterung ist spürbar! Auch ich bin unterstützt, begleitet und geliebt…